Lucas Lebrenz
Tagungsbericht
Veröffentlicht am: 
29. März 2020
DOI: 
https://doi.org/10.15500/akm.30.03.2020

Der Lehrstuhl für Militärgeschichte / Kulturgeschichte der Gewalt am Historischen Institut der Universität Potsdam veranstaltete in Kooperation mit dem Beirat des Förderpreises für Militärgeschichte und Militärtechnikgeschichte, dem Arbeitskreis Militärgeschichte (AKM), dem Arbeitskreis Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit (AMG) sowie dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) am 28. und 29. November an der Universität Potsdam ein Nachwuchskolloquium zur Militärgeschichte. Dabei wurde unter der Organisation von ALEX KAY(Potsdam) insgesamt 17 jungen NachwuchswissenschaftlerInnen im Fachbereich der Militärgeschichte aus Europa und den USA die Möglichkeit gegeben, ihre Forschungsprojekte einem fachkundigen Publikum vorzustellen. Um die thematische Breite der Beiträge zu strukturieren, war das Kolloquium in sechs chronologisch aufgebaute Panels gegliedert.

Im ersten Panel befassten sich die drei Referierenden unter Leitung von FILIPPO CARLÁ-UHINK (Potsdam) mit der Militärgeschichte der Antike. MATTHIAS HAPPACH (Passau) untersuchte ökonomische Klauseln in römischen Friedensverträgen der Kaiserzeit und Spätantike, um eine intentionale Wirtschaftsaußenpolitik des Römischen Reiches aufzuzeigen. Dazu rekonstruierte er nach erfolgter Definition des römischen Völkerrechts durch die detaillierte Einzelbetrachtung verschiedener Vertragswerke das römische Außenhandelssystem. Dabei ließen sich Unterschiede im Umgang mit den germanischen Nachbarn jenseits des Limes auf der einen Seite und den Sassaniden im Vorderen Orient auf der anderen Seite feststellen. Happach kategorisierte dafür die ökonomischen Klauseln der Friedensverträge in drei Abstufungen: Ökonomische Klauseln ersten Grades sind direkte Zahlungen materieller Güter, während ökonomische Klauseln zweiten Grades indirekte ökonomische Werte, wie Einfluss auf Ressourcen und Handelswege, umfassen. Die ökonomischen Klauseln dritten Grades hätten nur eine hintergründige, ökonomische Dimension beinhaltet, welche aber nicht Hauptgrund für die Verankerung der Klausel gewesen sei.

Über die Thematik der Kriegsbeute in der militärtheoretischen und völkerrechtlichen Fachliteratur der römischen Kaiserzeit zwischen Augustus und Diokletian referierte FLORIAN WIENINGER (Passau). Er legte dabei dar, dass laut dem juristischen Verständnis der Römer das Siegerrecht den Erwerb von Kriegsbeute legitimiert habe und die Plünderung der feindlichen Besitztümer demnach einem Rechtsanspruch des Siegers gleichgekommen sei. Nach einer siegreichen Schlacht erging durch den Feldherrn an die Soldaten das Signal zum strukturierten Plündern. War aber bereits vor dem Sieg geplündert worden, hätte dies als Disziplinlosigkeit des Heeres aufgefasst werden müssen. Insgesamt habe die Kriegsbeute bei allen Römern als Zeichen des Erfolges und Mutes einen hohen symbolischen Stellenwert besessen, was sich auch darin geäußert habe, dass militärische Aktionen ökonomischen Geschichtspunkten folgten.

KATHARINA SCHONEVELD (Erlangen) beleuchtete in ihrem Vortrag Illustrationen zur Kriegstechnik in byzantinischen Handschriften des 10. und 11. Jahrhunderts als Beispiele für Transfer und Adaption antiken Wissens in Byzanz. Sie untersuchte dafür die verschiedenen Rezeptionen des „klassischen“ poliorketischen Korpus, in denen sich die jeweiligen Illustrationen zu den Kriegsmaschinen, welche alle durch den gleichen Wortlaut beschrieben werden, zum Teil erheblich voneinander unterschieden hätten. So gäben einige Darstellungen die Maschinen als technische Schemazeichnungen wider, während andere Illustrationen die fertigen Geräte eher im Einsatz zeigen würden. Schoneveld erklärte dies damit, dass letztere Illustrationen eher für technische Laien, wie die byzantinischen Kaiser und deren Generäle, gedacht waren, um ihnen die Funktion der Maschinen im Kriegsfall leichter aufzuzeigen. Die schematischeren Zeichnungen wären demnach eher an andere Ingenieure adressiert gewesen. Gleiche Tendenzen ließen sich auch bei deutschen und italienischen Maschinenbüchern des 15. und 16. Jahrhunderts feststellen.

Die Referenten des zweiten Panels, welches von MARTIN CLAUSS (Chemnitz) geleitet wurde, richteten den Blick auf die Besonderheiten der mittelalterlichen Schlacht. Dabei verwies Clauss darauf, dass explizit auch Lehrstellen in den Quellen benannt werden müssten. Außerdem forderte er, dass die mittelalterliche Militärgeschichte neue Begriffe finden müsse, die einerseits nicht zu allgemein seien, sodass sie mit modernen Bezeichnungen gleichgesetzt werden könnten, andererseits aber die Spezifika der Epoche abbildeten sollten, ohne zu reinen Epochentermini zu werden.

CHRISTOPH HAACK (Tübingen) erläuterte anhand seiner Untersuchung zu Kriegern aus der Karolingerzeit die frühmittelalterlichen Kriegsdienste um 800 als Prozesse gemeinschaftlicher Organisation. Dabei führte er aus, dass das klassische Lehnswesen als aufeinander bezogenes Rechtskonstrukt aus Lehen und Vasallität – verbunden mit dem Aufstieg der Kavallerie – bis ins 11./12. Jahrhundert so nicht existiert habe. Zugleich enthüllte er damit die Vorstellung von dem König zur Heeresfolge verpflichteten gepanzerten Lanzenreitern als dominante Waffengattung der frühmittelalterlichen Heere als moderne Fiktion. Im Gegensatz dazu sei die Aufstellung eines frühmittelalterlichen Heeresaufgebotes in Zeiten einer Face-to-face-Gesellschaft über personelle und institutionelle Bindungen der „Großen des Reiches“ organisiert worden. Dazu hätten insbesondere die sogenannten Königsvasallen gezählt: Bischöfe und Äbte sowie Herzöge und Grafen. Somit biete seine Forschung eine Verknüpfung von mittelalterlicher Verfassungs- und Militärgeschichte.

Über die Unmöglichkeit, konkrete Aussagen über den Verlauf mittelalterlicher Schlachten zu treffen, referierte FABIAN FELLERSMANN (München). Anstatt den genauen Verlauf einzelner Schlachten zu rekonstruieren, möchte er vergleichend und losgelöst von angeblich vorherrschenden und zeitlich ungebundenen militärischen Gesetzen im Sinne Max Webers den Idealverlauf einer mittelalterlichen Schlacht erfassen. Seinen Analyserahmen konzentriert sich dabei auf sogenannte Ritterheere im nordalpinen Reichsgebiet. Dazu untersucht Fellersmann etwa 80 Schlachten zwischen 1075 (Schlacht an der Unstrut) und 1315 (Schlacht bei Morgarten), wobei die Tatsache, dass für keine dieser Schlachten ein archäologisch gesichertes Schlachtfeld gefunden wurde, ein großes Hindernis darstelle. Daher erklärte er, für sein Vorhaben vor allem die zeitgenössische Historiographie als Quelle zu nutzen, wobei eine genaue quellenkritische Betrachtung von großer Wichtigkeit sei, um den Unterschied zwischen Realität und Topoi aufzuzeigen. Seien die Intentionen des mittelalterlichen Autors bekannt und dieser militärisch bewandert, könnten seine Beschreibungen von Schlachtereignissen zum Teil durchaus realistisch sein. Dabei seien aber auch narrative Elemente zu beachten, wonach Zweikämpfe vor der Schlacht, wie in den Pegauer Annalen beschrieben, als eher unrealistisch angesehen werden könnten. Zur Untermauerung seiner Aussagen sollten Briefe, Urkunden und die höfische Literatur, welche die Lebenswelt der Akteure widerspiegelten, sowie die Templerregel genutzt werden, wobei letztere Statuten zum Kampf enthielt, die aufgrund ihrer Entstehung im Kampf gegen die Muslime in Europa eventuell hätten angepasst werden müssen.

Mit der militärischen und politischen Nachgeschichte von Schlachten im nordalpinen Raum auf Seiten der Sieger beschäftigte sich SANDRA VENZKE (Paderborn). Sie unterstrich dabei, dass nicht die Schlacht als endgültige Entscheidung eines Feldzuges aufgefasst werden sollte, sondern diese eine zentrale Bedeutung für den weiteren Fortgang des Krieges besessen habe. Entscheidend sei es eher gewesen, den militärischen Erfolg in einen politischen umzuwandeln. Venzke begreift die Schlacht somit als punktuelles Ereignis beim Übergang vom Krieg zum Frieden. Beispielhaft stellte sie dafür die Handlungen König Rudolfs I. nach dessen Sieg in der Schlacht bei Dürnkrut und Jedenspeigen am 26. August 1278 gegen König Ottokar II. von Böhmen dar, welcher in der Schlacht starb. Er habe militärische Aktionen wie den Weitermarsch in das Innere Böhmens, wo er sein Heer für weitere Kämpfe verstärkte, mit politischen Handlungen kombiniert. So habe er etwa mit der Witwe Ottokars II., Kunigunde, über die Herausgabe des Leichnams ihres Gatten verhandelt und öffentlich Sicherheitsgarantien für deren Kinder ausgestellt. Mit diesen Angeboten habe Rudolf I. den Druck auf die gegnerische Koalition erhöht und diese zugleich als Kommunikationseröffnung genutzt, um dadurch schließlich Frieden mit Kunigunde zu schließen.

Im dritten Panel (Frühe Neuzeit) untersuchte JAN PHILIPP BOTHE (Göttingen) das Zusammenspiel von Militärwissenschaften und Umweltwahrnehmung als Teil der allgemeinen Wissenschaftsgeschichte der Frühen Neuzeit anhand von 200 militärwissenschaftlichen Traktaten aus der Zeit von 1650 bis 1780. Die dabei gefundene Verzahnung von Natur und Kriegsführung zeige sich zum Beispiel anhand der gestiegenen Bedeutung der Topographie auf die Taktik. Dazu seien zum einen exaktere Karten notwendig gewesen. Andererseits hätte aber auch der Feldherr vor Ort das Gelände genau erfassen müssen. Das Militär habe die Natur dafür umfassend kontrollieren wollen. Des Weiteren spiele aus Perspektive Bothes die Frage nach natürlichen Ressourcen als Voraussetzung für die Logistik, allen voran nach Wasser und Nahrung, eine große Rolle für den Fortgang frühneuzeitlicher Feldzüge. Das Feindesland sei in diesem Zusammenhang als wichtige Ressource gesehen worden, welches durch systematische Ausplünderung eine geeignete Grundlage zur Fortführung der eigenen militärischen Aktionen ermöglicht habe. Im Gegensatz dazu sei die „Taktik der verbrannten Erde“ nur in absoluten Ausnahmefällen, meist auch nur auf eigenem Gebiet durchgeführt worden, um dort alle Möglichkeiten zur Weiterführung des Krieges zu vernichten. Insgesamt zeigt sich, dass im Laufe des Untersuchungszeitraumes der militärische Blick auf die Natur verstärkt und in die Suche nach generellen Maximen des Krieges integriert worden sei. Dadurch sei wäre die Qualität der Militärtheorie interdisziplinärer geworden.

Einen Vergleich von Eroberungen deutscher Städte durch die schwedische Armee im Dreißigjährigen Krieg zwischen 1630 und 1632 strebte DANIEL RICHTER (Göttingen) an. Von den über 200 eroberten Städten wählte er knapp zehn, konfessionell heterogene Städte mit regionaler Bedeutung aus. Er beabsichtigte dabei, Routinen in den Ereignissen aufzeigen, um die einzelnen Stadteroberungen besser miteinander zu vergleichen. Dabei interessierten ihn besonders die Praktiken des Kampfes während der Stadteroberungen und der Verhandlungen während der Übergabe der Städte sowie das Verhältnis zwischen feindlichem Militär und Stadtbevölkerung. Im Kontext seiner weiteren Analyse möchte Richter dabei auch untersuchen, ob sich religiöse Unterschiede zwischen Stadtbevölkerung und schwedischen Truppen auf ihre Interaktionen, beispielsweise im Umgang mit den städtischen Kirchen, entsprechend auswirkten. Als Quellen sollen für diese Untersuchung insbesondere Selbstzeugnisse, Flugblätter und zeitgenössische Geschichtswerke genutzt werden.

Das vierte Panel stand ganz im Zeichen der Fechtkunst zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert. Bemerkenswert und ungewöhnlich zugleich war hierbei die Tatsache, dass alle Referenten des Panels selbst praktizierende Fechter sind. JACOB DEACON (Leeds) präsentierte englische „fight books“ des 16. Jahrhunderts als wichtige Instrumente einer Kommunikationsstrategie, mit deren Hilfe die Fechtmeister öffentlich zu Unterrichtszwecken ihr Wissen zeigten, um neue Schüler zu gewinnen. Jedoch zeige die geringe didaktische Qualität der fight books, dass ein guter Kämpfer nicht zwangsläufig auch ein guter Lehrer war. Sie hätten theoretische und praktische Hinweise zur zusammenhängenden Bewegung des Körpers während des Kampfes geboten. Vor allem italienische Meister, bei denen das Rapier als Duellwaffe der gentlemen im Mittelpunkt stand, seien in England rezipiert worden. Die kontinentaleuropäischen fight books hätten sich zudem durch detailliertere Zeichnungen als ihre englischen Gegenstücke ausgezeichnet. Englische Fechtmeister hätten die fight books eher als Hilfestellung für Soldaten im Krieg verstanden. Sie kritisierten zudem, dass das Rapier, um im Zweikampf richtig zu wirken, großen Platz bräuchte, was auf dem Schlachtfeld mit seinen engen Formationen aus Musketieren und Pikenieren selten der Fall gewesen sei. Daher hätten sie den einfachen Fußsoldaten eher kurze Hiebwaffen und Stangenwaffen als geeignete Bewaffnung empfohlen.

Über die Bedeutung des Fechtens mit dem Säbel im Schweizer Militär des 19. Jahrhunderts referierte MATHIJS ROELOFSEN (Bern). Er führte aus, dass ab den 1860er Jahren schriftliche Anleitungen zum Fechten mit dem Säbel entstanden seien. Zur gleichen Zeit wären auch die ersten Infanterieoffiziersschulen gegründet worden, in denen der Umgang mit dem Säbel im Laufe der Jahre immer verstärkter gelehrt wurde. Das Fechten sei dabei als Form der Gymnastik angesehen worden, wodurch die Stärkung und bessere Zusammenarbeit aller Körperteile bewirkt werden sollte. Dadurch hätten die jungen Offiziere in einer Gefahrensituation eher Selbstkontrolle verspüren sollen. Zudem veranstalteten die Unteroffiziersgemeinschaften für ihre Mitglieder und Interessierte Lehrgänge und Wettbewerbe im Säbelfechten. Dementsprechend schloss Roelofsen darauf, dass das militärische Säbelfechten auch außerhalb der Offiziersschulen vor allem von Unteroffizieren öffentlich in der Zivilgesellschaft als Sport betrieben worden sei. Bestärkt wurde diese Tendenz dadurch, dass in einer Milizarmee wie der in der Schweiz wenige Möglichkeiten für eine tiefergehende militärische Ausbildung zur Verfügung gestanden hätten.

Die Entwicklung des militärischen Fechtens im Frankreich des 19. Jahrhunderts veranschaulichte JULIEN GARRY (Dijon). In erster Linie machte er auf die Unterschiede zwischen zivilem und militärischem Fechten aufmerksam: Beim militärischen Fechten bestehe das Hauptziel darin, den Gegner zu töten und sich selber vor Verletzungen zu schützen. Außerdem müsse der Soldat meist gegen mehrere Feinde gleichzeitig kämpfen und könne vor jedem Kampf nicht erst in Ruhe Aufstellung nehmen. Darüber hinaus bedeutete es für die Soldaten einen Unterschied, ob sie gegen Infanteristen oder Kavalleristen kämpften. Bestimmend wären bei der Ausbildung auch Kostenfragen gewesen, ob mit echten teuren Waffen oder kostengünstigeren, aber dafür unrealistischen Attrappen geübt werden sollte. Insgesamt wäre die Ausbildung im militärischen Fechten auch nach 1870/71, als die verbesserte Artillerie ihre gesteigerte Wirkung gezeigt und den Niedergang der Kavallerie einleitete hatte, beibehalten worden, da der Unterricht körperlich fit hielte und diese Kampfweise für den Kampf in den Kolonien geeigneter gewesen sei.

Die beiden abschließenden Panels befassten sich mit Themen des 19. und 20. Jahrhunderts und wurden von PETER LIEB sowie FRANK REICHHERZER (beide Potsdam) geleitet. JOHANNES NAGEL (Bielefeld) beleuchtete das verstärkte Engagement der USA auf internationaler Bühne ab 1865, als das US-amerikanische Militär durch Reformen den europäischen Standards angepasst wurde. Er benannte drei Ursachen für diese Entwicklung: Erstens hätten die USA ebenso wie die europäischen Großmächte eine Kampfschiffflotte aufgebaut, um als gleichberechtigt anerkannt zu werden und in der Gesetzlosigkeit der internationalen Beziehungen die eigene Souveränität zu verteidigen. Daraus resultierte die zweite Ursache, wonach die Großmächte im Rahmen des Imperialismus um die Rangfolge untereinander gekämpft hätten, indem sie ihren Einflussbereich vergrößerten. Dabei habe eine schlagkräftige Flotte eine Voraussetzung dafür geboten, Kolonien zu erwerben und zu verteidigen, wodurch sich den USA vor allem neue Absatzmärkte in Ostasien erschlossen hätten. Die dritte Ursache gewichtete Nagel als bedeutendste: so seien die westlichen Staaten als soziale Akteure einer Gesellschaft aufgetreten, die gewisse Verhaltensweisen erforderte. Aus diesem Konformitätsdruck hätten die Vereinigten Staaten Militärbeobachter nach Europa entsandt, um mit Reformen besser in dieses erwünschte System zu passen. Dieser Wissenstransfer sollte den eigenen Status definieren. Jedoch habe die Fokussierung auf die europäischen Standards verhindert, dass den spezifischen amerikanischen Gegebenheiten entsprechend Achtung geschenkt wurde.

Zum Spannungsverhältnis zwischen Härte und Heimweh in Selbstbildern und Männlichkeitsvorstellungen als Teil der Kriegserfahrung deutscher Soldaten im Afrikafeldzug zwischen 1941 und 1943 referierte SABINE KÜNTZEL (Dresden). Die eigene Härte als Teil der Männlichkeit wurde dabei besonders durch die Beschreibung der unwirtlichen Naturgegebenheiten mit Hitze, monotoner Wüste und Sandstürmen, welche die deutschen Soldaten überstehen würden, impliziert. Dementsprechend hätten Soldaten, welche bereits länger in Nordafrika kämpften, den neu ankommenden deutschen sowie den italienischen Soldaten ihre Männlichkeit abgesprochen, um sich durch diese Abgrenzung selbst zu identifizieren. Parallel dazu hätte die NS-Propaganda die Rollen als Familienvater, Ehemann und Sohn aber auch als Teil der Männlichkeit dargestellt, da diese für die Aufrechterhaltung des Volkskörpers von großer Wichtigkeit gewesen seien. Indem die Soldaten sich nach ihren Familien sehnten und dies besonders in ihren Feldpostbriefen kundtaten, sei eine erlaubte Form der „Weichheit“ zum Vorschein gekommen. Die viel gerühmte Ritterlichkeit des Afrikafeldzuges zeige sich in den von Küntzel ausgewerteten Quellen bisher hingegen nicht.

Auf die Vorstellungen und Konzepte der Menschenführung in der Wehrmacht ging im Anschluss KONSTANTIN ECKERT (Potsdam) ein. Zwar seien eine Vielzahl von Vorschriften mit harten Strafandrohungen über den „korrekten“ Umgang von Vorgesetzten mit ihren Untergebenen entstanden, dennoch hätte man Regelverstöße in Form von Schikane bisweilen geduldet. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges sei diese geduldete Illegalität sogar notwendig geworden, da Offiziere, welche für ihre Aufgaben weniger geeignet waren, so Autorität hätten erzwingen können. Dem Ideal nach sollte das Verhältnis von Vorgesetzten und Untergebenen kameradschaftlich durch Härte und Fürsorge gekennzeichnet sein. Der Offizier sollte für den einfachen Soldaten zu einer Vertrauensperson werden, wodurch die innere Einheit des Volkes als Teil der NS-Ideologie symbolisiert werden sollte. In den Kasernen zeigten sich dagegen eher Drill und Schikane, was geduldet worden sei, um die Männer zu funktionierenden Soldaten als höchster Ausdrucksform der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft auszubilden, während sich im Feld meist die gewünschte Frontgemeinschaft etabliert hätte.

JOHN WILLIAM SUCLIFFE (Leeds) stellte den Zusammenhang zwischen dem Aufbau des französischen Nuklearprogramms und den Erfahrungen des Freien Frankreich im Zweiten Weltkrieg dar. In erster Linie sollte das französische Atomwaffenprogramm die nationale Sicherheit gewährleisten, was den konventionellen französischen Streitkräften 1940 nicht gelungen war. In Zeiten des Kalten Krieges habe es für Frankreich nun gegolten, sich gegen eine mögliche sowjetische Bedrohung zu behaupten und dabei mit eigenen Atomwaffen möglichst unabhängig von den anderen westlichen Atommächten agieren zu können. Dieses Unabhängigkeitsstreben sei für das französische Selbstbewusstsein in den Nachkriegsjahren besonders wichtig gewesen, da die Truppen des Freien Frankreich im Zweiten Weltkrieg ohne alliierte Unterstützung keine größeren Erfolge erzielt hätten. Zudem wollte Frankreich durch den Besitz von Atomwaffen in den internationalen Beziehungen als gleichberechtigte Siegermacht auftreten und auch in der NATO neben den USA und Großbritannien seinen Status als Führungsmacht etablieren, standen doch seit Beitritt zur NATO erstmals französische Truppen unter fremdem Kommando.

Den Wandel der militärischen Zusammenarbeit zwischen den belgischen Streitkräften in Deutschland (BSD) und der Bundeswehr bis 1990 beleuchtete JONAS KRÜNING (Düsseldorf). In seinem Promotionsprojekt untersucht er anhand der gemeinsamen Nutzung der Truppenübungsplätze Vogelsang und Wahner Heide, wie gemeinsame Handlungen koordiniert sowie der Erfahrungsaustausch und die Anpassung an gemeinsame NATO-Vorgaben gefördert wurden. Ein weiterer Schwerpunkt Krünings liegt in der Analyse der Verwaltung der Liegenschaften, der finanziellen Verpflichtungen und rechtlichen Grundlagen. Zudem soll überprüft werden, wie bei Streitfällen zwischen den BSD und deutschen Zivilebenen mit dem Bundesverteidigungsministerium als Vermittler gemeinsam Kompromisse gefunden wurden, so zum Beispiel als auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Wahner Heide der neue Flughafen Köln-Bonn gebaut werden sollte. Bis jetzt konnte Krüning, der mit seiner Forschung noch ganz am Anfang steht, feststellen, dass der Grad der Kooperation stark von den individuellen Erfahrungen der Beteiligten im Zweiten Weltkrieg abgehangen habe.

ALESSANDRO ALBANA (Bologna) wandte sich Chinas Marine-Strategie und deren Rolle in Pekings globalem Aufstieg zu. Er legte dar, dass der Aufstieg Chinas erst seit den letzten 30 Jahren stattfinde und die chinesischen Bestrebungen im maritimen Bereich erst seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping 2012 deutlichen Aufschwung erhielten. Die Hauptinteressen lägen dabei darauf, die maritime Sicherheit für den Aufbau der Neuen Seidenstraße herzustellen und durch den Aufbau einer großen Flotte mehr diplomatischen Einfluss in den internationalen Beziehungen zu gewinnen. Mittlerweile sei es China gelungen, das strategisch wichtige Südchinesische Meer zu kontrollieren und dadurch zum neuen Hegemon in der Region aufzusteigen. Auf dem offenen Meer, insbesondere im Indischen Ozean, müsse China seine Stellung jedoch erst noch weiter ausbauen, was es seit 2008 mit einer Anti-Piraterie-Mission im Golf von Aden versuche.

Die Einschätzung, dass Geschichte immer differenziert sei und es keine Eindeutigkeit gebe, bildete die abschließende Erkenntnis dieses Nachwuchskolloquiums zur Militärgeschichte. Insgesamt bot es den Nachwuchswissenschaftlern eine geeignete Gelegenheit, durch die Vorstellung ihrer Projekte vor einem Fachpublikum mit Schwerpunkten in allen Epochen weitere Anregungen und Hinweise zu erhalten sowie innerhalb des Forschungszweiges der Militärgeschichte neue Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen.



Tagungsprogramm:
28. November 2019

Begrüßung Sönke Neitzel

Panel I: Antike (Chair und Kommentator Filippo Carlà-Uhink)

Matthias Happach, Ökonomische Klauseln in römischen Friedensverträgen der Kaiserzeit und Spätantike
Florian Wieninger, Plündern mit System? Das Thema Kriegsbeute in der militärtheoretischen und völkerrechtlichen Fachliteratur der römischen Kaiserzeit
Katharina Schoneveld, Illustration zur Kriegstechnik in byzantinischen Handschriften: Transfer und Adaption antiken Wissens in Byzanz

Panel II: Mittelalter (Chair und Kommentator Martin Clauss)
Christoph Haack, Die Krieger der Karolinger. Kriegsdienste als Prozesse gemeinschaftlicher Organisation um 800
Fabian Fellersmann, Die Schlacht, 1075–1315. Annäherung an einen Sonderfall der mittelalterlichen Kriegführung
Sandra Venzke, Zwischen Krieg und Frieden. Militärische und politische Handlungsweisen der Sieger nach der mittelalterlichen Schlacht

Panel III: Frühe Neuzeit (Chair Marian Füssel, Kommentator Jürgen Luh)
Jan Philipp Bothe, Militär und Umweltgeschichte
Daniel Richter, Belagerungen im Dreißigjährigen Krieg

Verleihung des Förderpreises für Militärgeschichte und Militärtechnikgeschichte

29. November 2019

Panel IV: Themenübergreifend – Frühe Neuzeit bis 19. Jahrhundert (Chair und Kommentator Daniel Hohrath)
Jacob Deacon, Sixteenth Century English Fight Books and their Role in Military Preparation
Mathijs Roelofsen, “En garde - Un, deux!”: Military Sabre Fencing in Nineteenth-Century Switzerland
Julien Garry, Military Fencing in Nineteenth-Century France: For the Army, by the Army

Panel V: 19./20. Jahrhundert (Chair und Kommentator Peter Lieb)
Johannes Nagel, Military politics as an object of global history? The U.S. military transformation and the observation of world politics, 1865–1915
Sabine Küntzel, Zwischen Härte und Heimweh. Selbstbilder und Männlichkeitsvorstellungen als Teil der Kriegserfahrung deutscher Soldaten im Afrikafeldzug, 1941–1943
Konstantin Eckert, Menschenführung in der Wehrmacht

Panel VI: 19./20. Jahrhundert (Chair Frank Reichherzer, Kommentator Sönke Neitzel)
John William Sutcliffe, Deterrence of the Strong by the Weak: The Free French War Experience and Nuclear Deterrence
Jonas Krüning, Wandel der militärischen Zusammenarbeit zwischen den belgischen Streitkräften in Deutschland (BSD) und der Bundeswehr bis 1990
Alessandro Albana, Making Assertiveness Sustainable and Supporting Maritime Order: Understanding China’s Naval Strategy and its Role in Beijing’s Global Rise