Julian Meck
Projektskizze
Veröffentlicht am: 
16. Februar 2015

Die französischen Soldaten dürften nicht schlecht gestaunt haben, als sie sich bei ihrem Plünderungszug 1757 bei Heiligenkirchen in der Grafschaft Lippe einer Schar Bauern, bewaffnet mit Flinten und Sensen, gegenübergestellt sahen. Lediglich ein anrückendes französisches Kommando konnte die Bauern davon abhalten, gegen die Soldaten vorzugehen. Ziviler Widerstand gegen feindliche Truppen war im Siebenjährigen Krieg keine Seltenheit. Im Frühjahr 1758 wurden in der westfälischen Stadt Soest österreichische Husaren beschossen und im Herbst des Jahres kam es mit Hilfe der Einwohner zu zwei Angriffen auf französische Soldaten. Im Kirchspiel Halver in der Grafschaft Mark hatten sich die Gebrüder Maehler seit 1758 wiederholt den Willkürmaßnahmen der französischen Besatzer widersetzt.

Ziviler Widerstand konnte sich jedoch auch gegen die eigenen bzw. verbündeten Truppen richten. Der Unteroffizier Johann Heinrich Ludewig Grotehenn berichtet für das Jahr 1758 über die Stadt Bocholt, dass sich die dortigen Bewohner der Nahrungslieferungen für die unweit stationierten braunschweigischen Truppen nicht nur enthielten, sondern gewalttätig gegen die Soldaten vorgingen und versuchten, diese aus der Stadt zu jagen. Im Kirchspiel Halver kam es zu einem Tumult der ansässigen Bevölkerung, als junge Männer aus der eigentlich kantonfreien Gegend nach einem Gottesdienst rekrutiert und abtransportiert werden sollten.

Die genannten Beispiele zeigen eindrucksvoll, wie sich Zivilisten dem z.T. gewaltsamen Verhalten der Soldaten widersetzten und ebenfalls zu Gewaltstrategien griffen. Krisensituationen wie Kriege stellten ein außergewöhnlich hohes Maß an Überschneidungs- und Zugriffspunkten zwischen den militärischen und zivilen Lebenswelten dar. Konflikte lagen oftmals darin begründet, dass sich neben den Zivilisten die Soldaten selbst in existenzbedrohenden Lagen befanden. Im Krieg konnte die Versorgung schnell einbrechen, Soldzahlungen ausbleiben oder Probleme in der Logistik und Rekrutenaufbringung auftreten. Zwangsrekrutierungen, häusliche Reibereien, Konflikte bei der Fourage oder alltägliche Zusammenstöße in den Städten waren keine Seltenheit.

Das vorliegende Dissertationsprojekt untersucht die zivilen Widerstände gegen Soldaten für die Zeit des Siebenjährigen Krieges im Westen des Reiches. Dieser „Weltkrieg des 18. Jahrhunderts“ ist aus regionaler Perspektive in vielerlei Hinsicht interessant. Als Nebenkriegsschauplatz war das westliche Theatrum Belli vor allem Durchzugsgebiet für die verschiedenen Kriegsparteien. Ziviler Widerstand konnte sich damit sowohl gegen feindliche als auch verbündete bzw. landeseigene Truppen richten. Die Dissertation fragt daher nach der Legitimität der zivilen Widerstandshandlungen. Dabei spielt das geltende Militärrecht eine wichtige Rolle. War das Handeln der Soldaten, welche eine Widerstandsreaktion hervorriefen, nach der vorherrschenden Rechtsauffassung legitim oder illegitim? Ebenso ist die Haltung der Obrigkeiten zu den Widerständen für die Frage nach der Legitimität zu untersuchen. Gleichzeitig untersucht die Dissertation die Ausbildung ziviler korporativer Elemente gegen Soldaten sowie den Stellenwert von Gewalt als Konfliktlösungsstrategie. Nach einem Überblick über den Krieg im Westen des Reiches und den Wechselbeziehungen zwischen Militär und Gesellschaft im 18. Jh. werden die Widerstände für die Bereiche der häuslichen Einquartierung von Soldaten, dem zivilen Widerstand bei Rekrutierungen, Konflikten im alltäglichen Zusammenleben und Auseinandersetzungen bei der Ressourcengestellung, bspw. bei der Fourage oder anderen Dienstleistungen untersucht. Die Dissertation wird damit im Kontext einer „neuen Militärgeschichte“ die Wechselbeziehungen von Militär und Gesellschaft aus den Abwehrhaltungen der Zivilgesellschaft untersuchen. Die Analyse richtet sich hierbei nach (kriegs-) alltagshistorischen wie auch im Besonderen nach kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen aus.

Die Dissertation nimmt speziell das Kurfürstentum Hannover, die Grafschaft Lippe und die westfälischen Gebiete Clemens Augusts und Preußens in den Fokus. Die dortige Bevölkerung hat fast achtzig Jahre in Frieden gelebt und das Militär lediglich von Winterquartieren oder anderen kurzfristigen Aufenthalten gekannt. Mit dem Beginn des Siebenjährigen Krieges war die Bevölkerung in diesen Territorien nicht länger vor dem Zugriff des Militärs gefeit. Als stark frequentiertes Durchzugsgebiet französischer und alliierter Truppen ist die Wahrscheinlichkeit von Konflikten zwischen Zivilisten und Soldaten und damit von zivilen Widerständen hoch. Auch ermöglichen die Gebiete durch ihre verschiedenen Allianzen mit den Kriegsparteien die verschiedenen Adressaten des Widerstandes und damit die Frage nach der Legitimität der zivilen Widerstandshandlungen in den Blick zu nehmen.

Zivile Widerstände gegen Soldaten sind in ganz unterschiedlichen Quellengattungen überliefert. So dienen Ego-Dokumente ebenso wie behördliche Dokumente, Gerichtsakten und Beschwerdebriefe als Fundament einer Untersuchung auf breiter Quellenbasis. Für die Zeit des Siebenjährigen Krieges bilden die publizierten Egodokumente von Soldaten einen ersten Zugang. Die bisherigen Akteneinsichten und Findbuchrecherchen waren äußerst vielversprechend und lassen auf einige von der Forschung bisher nicht bearbeitete Quellen zur Wechselbeziehung zwischen Militär und Zivilgesellschaft hoffen.

Die Dissertation an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg wird von Prof. Dr. Sven Externbrink betreut.

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